DEGRO Jahrestreffen in Münster

DEGRO Jahrestreffen in Münster

Wie überraschend aktiv die wissenschaftliche Gemeinschaft der Radioonkologie in Deutschland ist, konnte in diesem Jahr in Münster festgestellt werden. Im Kongresszentrum trafen sich vom 13.06.2019 bis zum 16.06.2019 mehr als 2.500 Teilnehmer. Einer von ihnen: der Verfasser dieses Artikels, Dr. med. Christian Stallmann, Facharzt für Strahlentherapie der Radiologie Vechta.

Von den vielen interessanten Aspekte will ich drei herausgreifen. Weil sie sich auf die tägliche Betreuung unserer Patientinnen und Patienten auswirken können. Sie betreffen das Prostatakarzinom, den Brust- und den Enddarmkrebs.

Enddarmkrebs: zukünftig Heilung ohne OP?

Der Vorteil einer Heilung vom tiefsitzenden Enddarmkrebs mit alleiniger Strahlen-/ Chemotherapie: ein künstlicher Darmausgang würde vermieden. Ein solches Vorgehen ist beim Analkarzinom bereits etablierter Standard. Ob das beim Enddarmkrebs ein sicheres Vorgehen ist, war Gegenstand einer wissenschaftlichen und heißen Diskussion zwischen radioonkologischen und chirurgischen Experten. Meine persönliche Einschätzung: Die Operation nach einer Strahlen-/ Chemotherapie bleibt Standard, auch wenn der Tumor nicht mehr sichtbar ist. Aber im Einzelfall kann bei Wunsch des aufgeklärten Patienten besser als früher auf eine Operation und den künstlichen Darmausgang verzichtet werden. Voraussetzung ist konsequente und engmaschige Nachuntersuchungen.

Brustkrebs: Heilung trotz Metastasen?

Von Oligometastasierung spricht man, wenn es nur maximal 5 Metastasen gibt. Bei Fernmetastasen sind grundsätzlich Medikamente (wie Chemo-, Immun- und Hormontherapie) die Behandlung der ersten Wahl. Eine zusätzliche Lokaltherapie etwa durch stereotaktische Bestrahlungen (“Radiochirurgie”) der 1- 5 Oligo- Metastasen kann die Überlebenszeit verbessern. In manchen Fällen scheint trotz Fernmetastasen sogar eine Heilung erzielt zu werden. Beobachtet wurde dies beim Dickdarmkrebs und kürzlich beim Lungenkrebs. Berechtigte Hoffnungen bestehen auch beim Brustkrebs. Hier fehlen aber noch aussagekräftige Studien. Und eine solche, großangelegte Untersuchung soll in Deutschland noch in diesem Jahr starten: die OLIGOMA- Studie. Bei etwa 30% – 40% der Brustkrebspatientinnen werden Fermetastasen festgestellt, 20% davon befinden sich im begrenzten oligometastasierten Stadium. Genau diese Patientinnen können an der Studie teilnehmen. Auch die Strahlentherapie Vechta in Abstimmung mit dem Brustzentrum will für diese Patientinnen Studienzentrum werden.

Prostatakrebs: PET/CT schon bei niedrigem PSA

Tritt beim Prostatakarzinom nach Operation der Tumor erneut auf, ist eine medikamentöse Hormonblockade zusammen mit einer Bestrahlung sinnvoll. Diese ist am erfolgreichsten, wenn die Tumorlast – gemessen am Tumormarker PSA – gering ist und es außerdem noch keine Fernmetastasen gibt. Aus diesem Grund sollte schon bei geringfügiger Erhöhung des Tumormarkers PSA das PET/CT zur Tumorsuche eingesetzt werden. PET/CT Untersuchungen fügen der Computertomographie (CT) Tumorstoffwechsel- Informationen hinzu, die mit nuklearmedizinischer Technik gewonnen werden. So können besipielsweise im CT eigentlich unauffällige Lymphknoten doch als tumorbefallen identifiziert werden. Sind Tumoren in der Prostataloge und in den lokalen Lymphknoten feststellbar, kann die Bestrahlung dort gezielt eingesetzt werden. Sie ist besonders erfolgreich, wenn es nicht mehr als 5 Tumoren gibt. Kommt Ihnen die magische Zahl “5” nicht bekannt vor? Richtig! Bei bis 5 Rezidivtumoren spricht man von “Oligo-” Rezidiven.

Viele hoffnungsvolle Entwicklungen zeichneten sich auch auf der DEGRO 2019 ab. Die Fortschritte in der Krebsmedizin scheinen deutllich zuzunehmen. Unser Fach, die Strahlentherapie, ist dabei mitten drin. Man kann sich optimistisch auf spannende Zeiten freuen!


Bildnachweis: C. Stallmann, Vechta

 

Auszeichnung

Die jährliche Focus- Ärzteliste empfehlen Mediziner seit 2017 auch im ambulanten Bereich. Von Anfang an dabei: Dr. med. Christian Stallmann, Facharzt für Strahlentherapie in Vechta. Zum dritten Mal in Folge ist er “empfohlener Arzt in der Region”: 2017 – 2018 – 2019.

Die Auszeichnung gebührt dem Team

Nach Angaben des Magazins “Focus Gesundheit” werden Mediziner ausschließlich nach transparenten Kriterien und umfangreichen Recherchen in die Liste aufgenommen. Dr. Christian Stallmann: “Natürlich freue ich mich über diese wiederholten Auszeichnungen. Unsere medizinische Versorgung findet offensichtlich eine positive Resonanz. Das ist selbstverständlich ein Verdienst des ganzen Teams. Meine ärztlichen Kolleginnen und Kollegen sowie MTRAs und MFAs haben einen mindestens so intensiven Kontakt zu unseren Patientinnen und Patienten wie ich. Die große Patientenzufriedenheit ist ihr Verdienst. Und auch wenn unsere Medizinphysikexperten nicht im Rampenlicht stehen – deren Beitrag darf man nicht unterschätzen. Die überdurchschnittich schnellen Behandlungsbeginne und die hervorragenden Bestrahlungspläne mit sehr geringen Nebenwirkungsraten wären ohne das überragende Engangement gar nicht denkbar.”

Unsicherheit abbauen

Weitere Ärzte sind ebenfalls ausgezeichnet. Beispiel innerhalb der Radiologie Vechta ist Dr. Stefan Jürgens. Auch Ärzte in anderen Praxen veröffentlichen das oft nicht auf ihre Webseite. Denn: das kostet. Wir haben uns dennoch entschieden, für die Verwendung des Siegels zu zahlen. Wir hoffen nämlich, damit unseren Patientinnen und Patienten etwas von ihrer Unsicherheit nehmen zu können. Strahlentherapie ist die große Unbekannte in der Krebsmedizin. Als Laie kann man sich erst einmal darunter kaum etwas vorstellen. Mit Operationen und Medikamenten – auch als Infusion – hat jeder schon einmal Kontakt gehabt. Aber mit einer Strahlentherapie? Da wiegt die Unsicherheit, wie gut der behandelnde Arzt ist, besonders stark. Unsere Hoffnung: vielleicht kann ja dieses Siegel zusätzliches Vertrauen vermitteln.

TSVG: Ärzte befürchten Staatsmedizin

TSVG: Ärzte befürchten Staatsmedizin

Ärzte weisen das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) entschieden zurück. Ihre Kritik: Damit schreibt der Staat Sprechstundentermine vor. Und dem Patienten, welchen Arzt er aufsucht. Sie meinen: der Staat soll sich aus der Arztpraxis raushalten. Eine Staatsmedizin arbeitet nämlich ineffektiv und verschlechtert das Arzt-Patienten- Verhältnis. Beides geht auf Kosten der Patientinnen und Patienten.

Eigentlich soll das TSVG dem Patienten nützen. Denn damit will Gesundheitsminister Spahn für zweierlei sorgen: für mehr Sprechzeiten und für eine bessere Vermittlung von Patienten. Deswegen wird per Gesetz den Ärzten 25 Stunden Sprechstunden pro Woche vorgeschrieben. Und Terminservicestellen sollen Arzttermine innerhalb einer Woche vergeben. Hört sich doch gut an: mehr und schneller Arzttermine …

Ärzte: Spahn irrt

Schon jetzt leisten die meisten Ärzte viel mehr Sprechstundenzeiten. Nur 3% der Arztpraxen bieten lediglich 20 Sprechstunden pro Woche an. Etwa Ärzte kurz vor dem Ruhestand. Eigentlich ist das Problem: die Terminanfragen steigen, gleichzeitig sinken die Arztzahlen. Weder gibt es mehr Termine, noch mehr Ärzte, noch mehr Arztpraxen. Woher auch? Schon jetzt findet die Mehrarbeit der Ärzte statt. Der Nachwuchs fehlt, weil Studienplätze für Medizin in der Vergangenheit abgebaut worden sind. Die Alterung der Ärzteschaft nimmt zu. Gehen Ärzte gehen in den Ruhestand, finden sie schlecht Nachfolger. Die Arztpraxis ist für Nachwuchsärzte nicht mehr so attraktiv. Die Gründe dafür sind Bürokratie, Strafzahlungen für Verordnungen und der Wunsch nach Teilzeitarbeit.

Droht Staatsmedizin?

Und mit den TSV- Gesetz kommt es noch schlimmer. Erstmals schreibt der Staat ärztliche Termine vor. Die bisherigen 20 Stunden Sprechzeit beruhen nämlich auf einer Vereinbarung zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen (nämlich der KBV und dem GKV-Spitzenverband). Außerdem wird dem Patienten durch die Terminservicestelle ein Arzt vorgeschrieben. Die freie Arztwahl wird dadurch beschnitten, obwohl diese so wichtig für das Arzt-Patient- Verhältnis ist.

Der Staat greift also nicht nur in die ärztliche Terminvergabe ein. Sondern auch in die Arztwahl selbst. Eine zentrale, staatliche Steuerung der ärztlichen Tätigkeit (“Staatsmedizin”) ist unflexibel, ineffektiv und wirkt sich negativ auf das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten aus. Die eigentlichen Ursachen für lange Wartezeiten und Terminknappheit müssen angegangen werden. Sie lauten: zunehmender Ärztemangel, gedeckelte Bezahlung, ausufernde Bürokratie, unnötige Behandlungswünsche, Strafzahlung für Medikamenten-Verordnung und abgebaute Studienplätze. Das Gesetz ist der Türöffner zur Staatsmedizin. So droht die Verschlechterung der Patientenversorgung.

Stosswellen jetzt Kassenleistung beim Fersensporn

Stosswellen jetzt Kassenleistung beim Fersensporn

Ein Sehnenansatz- Entzündung an der Ferse kann Schmerzen verursachen. Im Röntgenbild ist häufig eine knöcherne Ausziehung erkennbar. Daher die Bezeichnung “schmerzhafter Fersensporn”. Viele haben es schon selbst erlebt. Bei 90% verschwindet der Schmerz nach einigen Wochen oder Monaten von alleine, durch Dehnübungen, Einlagen, oder Medikamente. Wenn nicht, dann kann eine Stosswellentherapie etwa beim Orthopäden helfen. Das haben neuere Studien ergeben. Deswegen müssen jetzt die Krankenkasse die Kosten dieser Behandlung seit diesem Jahr übernehmen, wenn sich der Schmerz länger als ein halbes Jahr hält. Die Erfolgsquote wird mit 50% – 65% angegeben [1]. Und wenn die Besserung nicht eintritt? Gute Nachricht: Dann bleibt immer noch die – sehr niedrig dosierte – Entzündungsbestrahlung mit einer Erfolgsquote von 90%.

Literatur

[1] Gollwitzer H, Saxena A, DiDomenico LA, Galli L, Bouché RT, Caminear DS, et al. Clinically relevant effectiveness of focused extracorporeal shock wave therapy in the treatment of chronic plantar fasciitis: a randomized, controlled multicenter study. J Bone Joint Surg Am 2015;97:701–8. doi:10.2106/JBJS.M.01331.
StrSchV…

StrSchV…

… kein unausprechliches Wort einer exotischen Sprache, sondern eine Abkürzung für “Strahlenschutzverordnung”. Die neuste, sehr umfangreiche Fassung ist seit dem 31.12.2018 in Kraft. Sie ersetzt nicht nur die vorangegangene Strahlenschutzverordnung, sondern umfasst jetzt auch die frühere Röntgenverordnung.

Ihre Regelungen dienen dem Schutz vor Strahlung zu Hause, bei der Arbeit und beim Arzt. Auswirkungen auf unsere radiologischen, nuklearmedizinischen und strahlentherapeutischen Gebieten sind etwa:

  • Die Rolle der Medizinphysik-Experten (MPE) wird gestärkt. Je nachdem, wieviel Strahlendosis vorgsehen ist, wird jetzt eine enge Mitarbeit, die Hinzuziehung oder eine Beratung vorgeschrieben. Die Radiologie Vechta ist hier bereits hervorragend aufgestellt, weil bereits 4 MPEs angestellt sind.
  • Beim Bundesamt für Strahlenschutz werden bundesweit sogenannte “bedeutsame Vorkommnisse” zentral gemeldet. Bedeutsame Vorkommnisse sind Strahlenanwendungen (Röntgenuntersuchungen, nuklearmedizinische Szintigraphien, Strahlentherapie) mit zu hoher Dosis. Entscheidend für  die Meldepflicht sind vom Gesetzgeber vorgegebene Schwellenwerte, und sind deswegen vom Ermessen von uns Radiologen, Nuklearmediziner und Ärzte für Strahlentherapie unabhängig.
  • Strahlenschutzbeauftragte achten im Betrieb auf die Einhaltung des Strahlenschutz. Wenn er auf einen Mangel hinweist, und der Betrieb nicht reagiert, kann er sich dann direkt an die Aufsichtsbehörde wenden. Früher war das aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich. Strahlenschutzbeauftragte in nachlässigen Betrieben werden also gestärkt.

Strahlenschutz wird ab diesem Jahr noch größer geschrieben. Gut so, denn gute Qualität heisst nicht nur gute Bilder. Sondern vermeidbare Strahlung auch tatsächlich zu vermeiden.

Science Fiction?

Science Fiction?

“Cyberknife”, “Stereotaxie”, “Checkpointinhibitoren” – was sich nach Science Fiction anhörte, war in Wirklichkeit eine Ärztliche Fortbildung. So spannend, dass die Veranstaltung am 05.12.2018 im Rathaus Vechta um eine dreiviertel Stunde überzogen wurde.

Fünf Vorträge fesselten die etwa 60 Besucher. Highlight war der Beitrag von Frau Dr. Ernst. Sie leitet als Chefärztin die Strahlentherapie und das Cyberknife Zentrum in Soest. Kaum jemand in Deutschland hat mehr Erfahrung mit stereotaktischen Bestrahlungen, als sie. In den letzten Jahren hat sie ein Netzwerk mit 34 Stereotaxieeinrichtungen etabliert. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte auch die Strahlentherapie Vechta. Bei der Stereotaxie handelt es sich um eine Hochpräzisionsbestrahlung, die sehr nebenwirkungsarm eine Extremdosis in einzelne Tumoren einstrahlt. Die Wirkung ist so beeindruckend, dass man von “Radiochirurgie” spricht. Dazu eignen sich etwa Hirnmetastasen, Tumoren in der Lunge und Leber sowie Lymphknotenabsiedlungen der Prostata. Weil die Strahlenbelastung am gesunden Gewebe niedrig gehalten werden kann, können häufig auch in vorbestrahlten Regionen erfolgversprechende Therapien realisiert werden.

Nierentumoren fallen meistens als Zufallsbefunde im Ultraschall beim Hausarzt oder Internisten auf. Darauf wies Herr Dr. Sommer, urologischer Chefarzt des St. Franziskushospital Lohne, hin. Nicht selten werden sie dann so früh entdeckt, dass sie mit einer Operation geheilt werden können. Er und Herr Dr. Steffens, internistischer Krebsexperte aus Damme, stellten die chirurgischen und medikamentösen Therapieoptionen dar. Gerade die medikamentösen Behandlungen erfahren in den letzten Jahren rasante und andauernde Fortschritte. Für die Grundlagenforschung, die zu den sogenanten Checkpointinhibitoren geführt haben, haben der Amerikaner Allison und der Japaner Honjo den diesjährigen Nobelpreis für Medizin erhalten. Herr Dr. Penke, internischer Onkologe aus Vechta und Lohne, stellte in einem plastischen Vortrag die Wirkweise dieser Medikamentengruppe dar. Diese Substanzen aktivieren das patienteneigene Immunsystem gegen den Tumor. Bösartige Tumoren etwa der Lunge oder Niere, bei denen eine Chemotherapie nicht oder nicht mehr hilft, können so behandelt werden. Fortgeschrittene Tumoren verursachen häufig Schmerzen. Frau Twiessel, die leitende Fachärztin für Hämatologie und Onkologie im Marienhospital Vechta ist auch in der Vechtaer Praxis für Hämatologie/ Onkologie tätig. Sie ist außerdem auf Palliativmedizin spezialisiert. Sie gab einen hervorragenden und praxisnahen Überblick über die medikamentöse Schmerzbehandlung.

Meine persönliches Fazit: Fachlich haben wir alle eine Menge voneinander gerlernt. Und, mindestens genauso wichtig: durch die persönlichen Kontakte sind die onkologischen Akteure (Spezialisten, Hausärzte, Pflegekräfte) der Region weiter zusammengewachsen.

 

 

Bildeindrücke

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